FEAPDA Kongress 2013 in Slowenien
Vom 27. bis 28. September 2013 fand der diesjährige Kongress der FEAPDA (Fédération Européenne des Associations de Professeurs de Déficients Auditifs) in der schönen Stadt Koper an der Mittelmeerküste Sloweniens statt.
Fotos: C. Bielefeld
Die FEAPDA ist die Europäische Föderation der Berufsverbände der Hörgeschädigtenpädagoginnen und –pädagogen. Jedes Mitgliederland ernennt zwei Delegierte, die das Land bei den jährlich stattfindenden Vorbereitungstreffen repräsentieren. Der FEAPDA Kongress findet alle zwei Jahre in einem anderen Mitgliedsland statt. Diese Kongresse bieten eine Plattform für den internationalen Austausch und geben neue Impulse und Denkanstöße.
Das Thema des englischsprachigen Kongresses in Slowenien lautete „Teaching and Supporting Deaf Teenagers“. Jeder Tag begann mit zwei Vorträgen, anschließend folgten Referate der Mitgliedsländer (country presentations): Mazedonien, Schweden, Belgien, Österreich, Deutschland, United Kingdom, Schweiz und Niederlande.
Der Fokus der Vorträge lag auf der Identitätsentwicklung hörgeschädigten Jugendlicher. Eltern haben große Hoffnungen und Erwartungen an ihr Kind. Die Diagnose Hörschädigung verunsichert sie sehr. Sie beginnen zu kämpfen und wollen ihre Traumvorstellung von ihrem Kind verwirklichen. Sie wollen die beste Technik und Therapie, um die Folgen der Hörschädigung zu reduzieren. Die Jugendlichen geraten dadurch unter einen hohen Erwartungsdruck, der sich in Bezug auf ihre Identitätsentwicklung als Belastung darstellt. Sehr deutlich wurden besonders im Ländervortrag der Schweiz auch die Unterschiede zwischen den Bedürfnissen der Erwachsenen und der Jugendlichen dargestellt:
Erwachsene |
Jugendliche |
--> benötigen Sicherheit |
--> brauchen, dass die Erwachsenen an sie glauben |
Im Referat der österreichischen Delegierten wurde die Frage gestellt, ob bei aller Multikulturalität und Toleranz alles möglich ist? Dürfen Jugendliche mit einer Hörschädigung auch individuell und anders sein? Wird der Jugendliche erst einmal gefragt, wie es ihm geht? Wie kann der Austausch mit anderen hörgeschädigten Jugendlichen geschaffen werden, wenn sie einzeln in den allgemeinen Schulen unterrichtet werden?
Diese Frage wurde von den Referentinnen aus dem United Kingdom beantwortet. 80% der hörgeschädigten Jugendlichen werden dort an der allgemeinen Schule unterrichtet. Daher gibt es eine „Deaf resource base“, in der durch die Nutzung von modernen Medien und die Organisation lokaler und nationaler Treffen der Austausch zwischen diesen isolierten Jugendlichen ermöglicht wird. Unter anderem wurde dafür ein „Communication Challenge Curriculum“ erarbeitet. Hierbei sollen die Jugendlichen andere Menschen ansprechen, dadurch ihre Softskills ausbauen und durch die jährlich steigende Schwierigkeit ihre eigenen Grenzen erweitern.
Ein weiteres Curriculum wurde von den belgischen Referentinnen vorgestellt, welches sich mit der Kultur der gehörlosen Jugendlichen befasst. Dieses Curriculum ist in Flämischer Gebärdensprache verfasst und als CD und DVD erhältlich.
Die slowenische Präsentation stellte eine Untersuchung zur Messung des Grades der Gehörlosenidentität vor. Diese wurde mit der “Deaf Identity Development Scale (DIDS) instrument”, welches von Glickman 1996 entwickelt wurde, durchgeführt. Es basiert auf einer Einteilung in vier Identitätsbereiche: Zuordnung zur hörenden Welt, Grenzidentität, Zuordnung zur gehörlosen Welt und bikulturelle Identität. Glickman empfiehlt, keine medizinisch-pathologische Sichtweise einzunehmen, sondern ein sozial-kulturelles Verständnis von Gehörlosigkeit zu entwickeln.
In den Niederlanden findet eine Kooperation zwischen Sprachtherapeuten und Lehrern der allgemeinen Schulen statt. Die Sprachtherapeuten arbeiten in einer zeitlichen Staffelung nach Alter in Einzeltherapien mit den hörgeschädigten Jugendlichen. Ziel ist es, vermehrt in die Klassen zu gehen, um mehr Transfer zu schaffen.
In ihrem Vortrag stellte Carolien Rieffe, von der Universität Leiden, Niederlande, ihre Untersuchung zur „Emotionalen Kompetenz und mentalen Gesundheit bei gehörlosen Kindern und Jugendlichen“ vor. Sie verglich die vorgestellte Gefühlsantwort von hörenden und hörgeschädigten Kindern auf die Beschädigung ihres Gameboys durch ein anderes Kind. Die hörenden Kinder reagierten mit Wut. Sie äußerten, dass sie einen neuen Gameboy von den Eltern des anderen Kindes fordern. Eine Reaktion die wiederspiegelt, dass sie sich in der Position fühlen, um dies zu verlangen. Die hörgeschädigten Kinder jedoch gaben als Reaktion Traurigkeit an. Sie glauben nicht, dass sie etwas an der Situation ändern können, sie fühlen sich machtlos.
Fotos: C. Osterwald und V. Kolbe
Das Rahmenprogramm, „die Fahrt ins Ungewisse“ mit anschließendem Abendessen, die Runden Tische und Diskussionsrunden boten viele Gelegenheiten zum Kennenlernen und für Austausch. Besonders wertvoll empfanden wir die persönlichen Gespräche mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den europäischen Nachbarländern.
Der Vergleich der verschiedenen europäischen Länder ermöglichte auch Einblicke in verschiedene Organisationssysteme. So gibt es in einigen Ländern das Problem, dass es keine Berufsverbände für Hörgeschädigtenpädagoginnen und –pädagogen mehr gibt, da die Lehrkräfte vereinzelt an den allgemeinen Schulen im Bereich der Inklusion arbeiten und keine Vernetzung mehr stattfindet, wie z.B. in Frankreich und Italien. Sie beklagen diesen Umstand sehr. In den Niederlanden treffen sich die Lehrer mindestens wöchentlich in Zentren, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Ihr Berufsverband und der fachwissenschaftliche Austausch bleiben erhalten. Alle Beteiligten äußerten, dass dies sehr gewinnbringend sei.
Wir freuen uns schon sehr auf den nächsten FEAPDA Kongress, der voraussichtlich in Luxemburg stattfinden wird. Über das Comeniusprojekt können alle Hörgeschädigtenpädagoginnen und –pädagogen eine Förderung für die Fahrt und Teilnahme beantragen. Es wäre schön, wenn bei der nächsten FEAPDA Deutschland mit der Maximalzahl von 15 Personen vertreten wäre!
verfasst von Vera Kolbe und Claudia Bielefeld
18.10.2013
weitere Informationen unter www.feapda.org